China-Exkursion Informatik 2005

31. December 2005 | Travel report | No Comments

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Eine lange Beziehung zwischen der Henan Normal University (HNU) in der chinesischen Provinz Henan und der Fachhochschule Frankfurt hat über viele Jahre zu einem Austausch von Professorinnen, Professoren und Studierenden geführt. Die Beziehungen wurden ins Leben gerufen von Prof. Timm, FB 2, und unserem langjährigen Lehrbeauftragten Dr. Cheng. Chinesische Professorinnen und Professoren aus den Gebieten Physik und Informatik waren teilweise zu längeren Forschungsaufenthalten an der FH Frankfurt. Prof. Timm hatte in der Vergangenheit einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt an der HNU verbracht. Nachdem vor 11 Jahren erstmals eine Studierendengruppe der FH Frankfurt mit Prof. Güsmann an der HNU war, hat Prof. Erlenkämper in den folgenden Jahren mehrfach ein Physiklabor mit chinesischen und deutschen Studierenden an der HNU durchgeführt. In ähnlicher Form wurde in diesem Jahr ein chinesisch-deutsches Programmierpraktikum mit den Professoren Dumbacher, Erlenkämper und Güsmann an der HNU veranstaltet. Die Gruppe der Studierenden setzte sich zusammen aus Studierenden der Informatik und einer Studentin des Studiengangs Pflege. Dementsprechend gab es interdisziplinäre Komponenten bei diesem Projekt. Ergänzt wurde das Projekt durch Besichtigungen in Shanghai und Beijing. Die Exkursion wurde durch den DAAD und durch die FH Frankfurt finanziell großzügig gefördert. Hier nun ein Tagebuch vom Aufenthalt in China.

11. August

Bei strahlendem Sonnenschein und 31 Grad sind wir in Shanghai gelandet. Dort wurden wir schon von Richard und Xue Min vom Auslandsamt der HNU erwartet. Sie sollten uns durch China begleiten. Richard heißt eigentlich Yin Zhaochun, aber unter Chinesen, die viel mit den Langnasen zu tun haben, ist es üblich geworden, sich zusätzlich einen westlichen Vornamen zuzulegen.

Mit der Maglev (Transrapid) fuhren wir auf der 30 km langen Strecke vom Flughafen Shanghai nach Pudong in Richtung Innenstadt. Mit atemberaubenden 430 Km/h wurden wir innerhalb von 7 Minuten zur Endstation befördert. Dort besuchten wir auch gleich noch das Magnetschwebebahn-Museum. Die exponierte Technologie aus Hessen stieß bei Studierenden der FH Frankfurt natürlich auf ganz besonderes Interesse.

Um 18.00 Uhr, bei Einbruch der Dunkelheit, verabredeten wir uns zu einem gemeinsamen Spaziergang am Bund, der breiten Uferpromenade am Huang Po Fluss. Hatte die Stadt tagsüber teilweise noch Eindrücke von alten, engen Gassen vermittelt, so verwandelte sie sich jetzt in ein modernes Lichtermeer von Farben und Formen unglaublicher Vielfalt.

12. August

Zunächst ging es morgens in die Firma Messer Cutting & Welding Co., Ltd nach Kunshan, 50 km außerhalb von Shanghai. Hier werden Schneidbrennanlagen hergestellt. Sie gehört zur deutschen Messer Cutting & Welding GmbH aus Groß Umstadt, in der wir 3 Praktikanten im Sommersemester 05 hatten. Von ihnen kam die Anregung, Kunshan zu besuchen. Wir konnten uns in Kunshan ausführlich mit dem General Manager dieser erfolgreichen Firma unterhalten, viel über die Möglichkeiten deutscher Firmen in China erfahren und dies mit früheren Berichten über Firmen vergleichen, deren Engagement in China nicht erfolgreich verlaufen war. Bei der Demonstration der Plasmaschneidemaschinen waren die Kollegen Dumbacher und Erlenkämper ganz fasziniert, Physik in Aktion zu sehen

Nachmittags in Shanghai blieb nur kurze Zeit zum Duschen (wir hatten immer noch Temperaturen bis 37 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit), denn es waren noch Gastgeschenke für unsere Projektpartner in Xinxiang, dem Sitz der HNU, zu kaufen Danach war der Oriental Pearl Tower das nächste Ziel, jener gewaltige Turm, der mit seinen 3 Kugeln wohl das derzeit prägnanteste Gebäude Shanghais ist. Er steht auf der anderen Seite des Huang Po Flusses in Pudong. Am Oriental Pearl Tower machten wir eine für China elementare Erfahrung: An vielen bedeutenden chinesischen Monumenten sind Heerscharen von chinesischen Touristen. Das bedeutet: Anstellen und Warten. Dennoch hatte es sich gelohnt, denn inzwischen war es dunkel geworden und so hatten wir einen wunderbaren Ausblick auf das hell erleuchtete Shanghai und konnten erstklassige Nachtaufnahmen machen.

13. August

7 Uhr aufstehen und dann mit dem Taxi zur ehrwürdigen Tongji Universität. Dort referierte die stellvertretende Leiterin des Auslandsamtes, Frau Feng Yiping, in nahezu perfektem Deutsch über die Uni. Im Anschluss sprach Prof. Li Guoqiang, stellvertretender Leiter des Deutschen Zentrums der Tongji Universität, über eine neue Hochschule für angewandte Wissenschaften in Shanghai, die sich stark am Modell der deutschen FH orientiert und deren bisher 3 Studiengänge jeweils unter der Schirmherrschaft einer deutschen FH stehen. Das bedeutet für die Studenten, dass sie während des 4 jährigen Studiums zusätzlich noch Deutsch lernen müssen und dann für ein Semester nach Deutschland gehen. Es wurde erörtert, wie hiervon künftig ca. fünf Studierende pro Jahr an die FH Frankfurt entsendet werden könnten, um ihr Auslandspraktikum in Mechatronik durchzuführen. Im Informatikbereich könnte unser neu eingerichteter Masterstudiengang auch für nicht Deutsch sprechende chinesische Studierende interessant sein, da er vollständig auf Englisch absolviert wird. Entsprechende Informationen wurden den chinesischen Gesprächspartnern übergeben. Studentische Mitglieder der deutschen Gruppe übergaben ihre Email-Adresse an unsere Gesprächspartner, um als Kontaktperson für chinesische Studierende zur Verfügung zu stehen.

Nun referierte noch der Dekan des Instituts für Mikroelektronik über die diversen Forschungsprojekte, welche mit einem Jahresbudget von 600 mio. RMB (entspricht ca. 60 mio. Euro) finanziert werden. Mehr als 65% davon kommen aus der Industrie. Auch die Einrichtungen und Gebäude werden zum Teil von Firmen gesponsert und es gibt Räume, die nach Ihren Sponsoren benannt werden. (Siemens, Allianz uvm).

Den Rest des Nachmittags vertrieben wir uns auf dem berühmten Kleidermarkt in der Xiangyang Straße. Unsere BWL-Kenntnisse wurden dabei an Hand von Fallstudien erweitert. Hierzu ein Beispiel:

Student:
How much? *auf Gürtel zeigend*
Verkäuferin:
best quality, cheaper price for you, which size
Student:
No, tell me first, how much
Verkäuferin:
original leather
Student:
*geht weiter*
Verkäuferin:
ok you want this one, a special price only for you
Student:
tell me
Verkäuferin:
*holt taschenrechner und gibt ein 220*
Student:
*geht weg*
Verkäuferin:
how much you want to pay, hello, how much you want pay
Student:
*ist weg*
Verkäuferin:
*läuft hinter her* ok come back , what is your price
Student:
30
Verkäuferin:
*schaut verwundert auf den Taschenrechner*
Verkäuferin:
no kidding with me, *gibt ein* 120
Student:
*schüttelt mit dem Kopf und geht langsam weg*
Verkäuferin:
this is good price, ok ok, come back
Student:
30 is my last price, In germany its even cheaper!!!
Verkäuferin:
give me 50
Student:
no, you are crazy
Verkäuferin:
you killing me
Student:
*schaut böse und geht weg*
Verkäuferin:
ok ok come back
Student:
*schaut sie fragend an* 30?
Verkäuferin:
you mean euro or yuan
Student:
*ist sauer, geht wieder weg*
Verkäuferin:
*kommt hinterher, packt ihn am Arm* hello don’t go away
Verkäuferin:
30 yuan *in Tüte eingepackt*
Verkäuferin:
*dreht sich um und flucht auf Chinesisch*
Student:
*lächelt*

14. August

Der heutige Tag stand ganz im Zeichen von Suzhou. Diese 100 km westlich von Shanghai gelegene Stadt wird auch das Venedig Chinas genannt, weil es von einer Unzahl kleiner Kanäle durchzogen ist, die als Wasserstraßen genutzt werden. Nach einer Bootsfahrt besuchten wir die Tigerpagode. Diese soll einst als Grabmal für den ersten Xu Kaiser errichtet worden sein. Sein echtes Grab war das allerdings nicht, dieses wurde etwas entfernt beim Bau der Autobahn entdeckt. Da Suzhou auch für seine Seide berühmt ist, besuchten wir ebenso eine Seidenfabrik. Dort wurde uns dann vom Wachstum der Seidenraupen bis hin zur fertigen Seide alles erzählt und gezeigt. Die Produktionsräume waren zugänglich und so erhielten wir Einblick in alle Arbeitsvorgänge. Den Abschluss des Tagesprogramms bildete schließlich ein Besuch im Löwengarten, einer von vielen wunderschön gestalteten und zugänglichen Gärten in Suzhou mit einem Ensemble von Natursteinen, Wasserläufen, kleinen Seen, Brücken, Pagoden und kleinen Tempeln.

15. August

In einer 14-stüdigen Zugreise ging es nach Xinxiang in der Provinz Henan in der Nähe des Gelben Flusses. Um 1.00 Uhr morgens des folgenden Tages stiegen wir aus dem klimaanlagengekühlten Zug, und uns verschlug es fast den Atem. Es herrschten für die frühen Morgenstunden unglaublich hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeitswerte vor. In den nächsten Tagen gingen die Temperaturen aber dann auf ein angenehmes Maß zurück. Vom Bahnhof holten uns der Chef des Auslandsamtes, Li Qiufa, und seine Assistentin Bei Li ab.

16. August

Der erste Eindruck, den wir bei der nächtlichen Fahrt durch Xinxiang gewonnen hatten wurde heute bestätigt, wir waren hier mitten in China. Kein Vergleich zum schillernden Shanghai, keine mehrstöckigen Highways, weniger Leuchtreklamen, dafür mehr Fahrradfahrer und morgens patriotische Musik aus einer Fabrik.

An unserem Hotel auf dem Campus hatte man ein großes, rotes Transparent aufgehängt, um die „Freunde der FH Frankfurt willkommen“ zu heißen. Ein gleiches Transparent fand sich am Informatik-Gebäude. Gegen Mittag wurden wir in einem großen Konferenzsaal von einer Delegation der chinesischen Professoren und Studenten feierlich empfangen. Der Akt wurde schließlich durch die Einteilung der Projektgruppen beendet. (Abb.1 und Abb.2) Im Anschluss führte man uns über den riesigen Campus, an dessen Eingang Mao Ze Dong die Besucher grüßt. Am Abend waren wir vom Präsidenten der HNU, Prof. Wang Jianji eingeladen zu einem wahren Festmahl. Es wurden Geschenke ausgetauscht, Reden gehalten und bis in die späten Abendstunden getafelt.

Abb_1klein

Abb_2klein

17. August – 23. August

Diese Tage hatten nun einen geregelten Ablauf. Nach dem Frühstück hatten wir zunächst Chinesisch Unterricht bei Miss Cheng Li. Dabei ging es weniger um die theoretischen Grundlagen, welche wir uns schon während des vorherigen Semesters in Deutschland angeeignet hatten, sondern vielmehr um die korrekte Aussprache und den Erwerb überlebensnotwendigen Vokabulars. (Es kann leicht passieren, dass man ungenießbares, heisses Leitungswasser bekommt, wenn man „shui“ anstatt Trinkwasser „hen shui“ ordert.) Um 12.00 Uhr gab es Mittagessen.

Am Nachmittag gingen wir in die Projekträume, welche wir schon am ersten Tag beim Rundgang besichtigt hatten. Hier haben wir uns mit unseren chinesischen Partnern auf Englisch unterhalten. Es war von chinesischer Seite her alles perfekt vorbereitet worden. System und Anwendungsprogramme entsprachen exakt den Aufgabenanforderungen und funktionierten tadellos. Die Studierenden arbeiteten in 6 Kleingruppen: 2 deutsche mit 2-3 chinesischen. (Abb.3) Die ersten zwei Tage wurde Socketprogrammierung geübt, die Aufgabenstellungen und Lösungen hier weiter auszuführen würde allerdings den Rahmen sprengen. Anfänglich war deutlich zu merken, dass unterschiedliche Kulturen und Mentalitäten zusammen kamen, jedoch funktionierte die Zusammenarbeit schon am zweiten Tag tadellos. Hierzu hat sicher auch ein Social Event am Abend vorher beigetragen. Bis auf ein paar kleinere Kommunikationsprobleme aufgrund fehlender Englischvokabeln oder zu schnellen Sprechens gab es nichts zu bemängeln.

Abb_3klein

Abb_neu

Im Anschluss an den ersten Projekttag hielt Prof. Güsmann noch einen Vortrag über die FH Frankfurt im Allgemeinen und den Studiengang Informatik im Speziellen. Danach referierte er, passend zum Projekt, über Socketkommunikation an Hand von Praxisbeispielen.

Die zweite Übung im Projekt beschäftigte sich mit Assemblerprogrammierung. Aufgabe war es, den Lautsprechern ein paar programmierte Töne zu entlocken, wenn möglich als wahrnehmbare Melodie. Nachdem am Anfang noch ein penetrantes Piepen und Fiepen den Raum erfüllte, wandelten sich die Töne nach und nach auch wirklich in erkennbare Melodien.

An den Abenden folgten wir Einladungen der Kollegen aus der Informatik und der Kollegen aus der Physik. Auch wir konnten uns mit einer Einladung der chinesischen Kollegen und Studierenden revanchieren. Nach Austausch von Email-Adressen konnten die Kontakte unter den Studierenden bis heute gepflegt werden, wenn auch der Email-Verkehr nach China nicht immer fehlerfrei funktioniert.

Am letzten Tag des Projektes herrschte allgemeine Hochstimmung, da alles gut funktioniert hatte. Im Anschluss an das Projekt hielt die Gruppe, welche das Risikomanagement übernommen hatte, einen Vortrag. Die projektspezifischen Faktoren jeder Gruppe wurden noch einmal akribisch unter die Lupe genommen und Zusammenhänge erläutert.

Parallel zur Programmierung trafen sich die Professoren mit den chinesischen Kollegen vom Dekanat und vom Auslandsamt zur Besprechung der weiteren Kooperation. Im nächsten Jahr wird ein Kollege der Informatik für 2-3 Monate nach Frankfurt kommen.

Für die Studierende des Studiengangs Pflege und weitere Interessierte wurde in Xinxiang der Besuch eines Krankenhauses organisiert. In Begleitung eines Arztes konnten drei unterschiedliche Stationen ausführlich besichtigt werden.

24. August – 25. August

In einem dicht gedrängten Programm wurden an diesen beiden Tagen nach der Bahnfahrt von Xinxiang nach Beijing der Tian’anmen Platz, die Verbotene Stadt, die Chinesische Mauer und Ming Gräber besichtigt.

An unsere Partner von der Henan Normal University einen Herzlichen Dank für die überwältigende Gastfreundschaft. Das von der HNU ausgestellte Zertifikat über das Programmier-Projekt ist sicher ein interessanter Aspekt bei künftigen Bewerbungen der studentischen Teilnehmer.

Prof. Dr. Bernd Güsmann, Christian Stickel, Said Jaadari, Fachbereich 2

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